November 2016

ausgewählt von Claudia Zitzelsperger
Aus dem ersten Kapitel „Allgemeines“:

„Der Kleinwohnungsbau, um den es sich hier mit dem Folgenden hauptsächlich handelt und der in unserer jüngsten Baugeschichte eine größte Rolle spielt, war noch bis vor etwa 15 oder 20 Jahren den führenden Stellen unseres Baulebens sehr gleichgültig; er war bis dahin größtenteils entweder in Händen rücksichtslosesten Bauspekulantentums oder galt als etwas, das zu bearbeiten man im allgemeinen allein denen überließ, die ein unmittelbarstes, persönlichstes Interesse an der Kleinwohnung hatten.
Und wenn nun inzwischen dort, wo es sich stirnrunzelnd um allgemeine Baufragen oder auch wohl sogar dort, wo es sich, noch stirnrunzliger, um Fragen der hohen Baukunst handelt, der Kleinwohnungsbau beratend ganz oben mit am Tische sitzt, so ist das nicht nur hinsichtlich unserer neugeschichtlichen Bauentwicklung, sondern hinsichtlich der gesamten neueren Geschichte außerordentlich merkwürdig.
Der Kleinwohnungsbau, so wie er mit der jüngeren Baugeschichte mehr und mehr verstanden wird, steckt noch durchaus in den Kinderschuhen, er ist – soweit wir mit ihm zunehmend eine besondere Wohnungsart begreifen – etwas völlig Neues, bezieht sich auf wichtigste Angelegenheiten größter Menschenmassen und hat damit auch eine mächtigste Stoßkraft und – sehr wahrscheinlich – eine „größte Zukunft“ in sich.
Es ist so gut wie sicher, daß er zukünftig die Musik oder – wenn man so will – den Spektakel des gesamten Baulebens entscheidend beeinflussen wird und daß mehr und mehr alle gewichtigen Bauprobleme sehr offensichtlich mit den Fragen des Kleinwohnungsbaues unmittelbar zusammenhängen werden. (…)“

Tessenow, Heinrich: Der Wohnhausbau, 1. Ausgabe. München, Georg D. W. Callwey, 1909

zur Person:
Stille Wasser sind tief …
Verstörend, ja fast schmerzhaft, legt Claudia Zitzelsberger mit dem Foto von Stefan Schumacher gebaute Realität offen. Mir beschert das Bild in Kombination mit dem Text sehr wohl ein nachdenkliches Stirnrunzeln.
Der Fotograf und Designer Stefan Schumacher hat ein Faible für „Unauffällige Schauplätze“, heißt es. Leider sind diese Schauplätze auch bereits wegen ihrer schieren Menge zum gewohnten Bild geworden.

Claudia Zitzelsberger hat ihr Diplom für Architektur 2009 an der TU München erhalten und 2011 das Staatsexamen für den höheren bautechnischen Verwaltungsdienst zum Regierungsbaumeister abgeschlossen. 2011 bis 2014 war sie Referentin an der Regierung von Niederbayern. Seit 2014 ist sie als Referentin an der Obersten Baubehörde für Städtebau beschäftigt.

Das nächste Haus des Monats wird präsentiert von:
Michael Heinrich, Fotograf, München

Foto: Stefan Schumacher, München