Februar 2021

dieses Mal: Lisa Yamaguchi

Okurayama Apartments
Der japanische Teil meiner Familie lebt in Okurayama. Inmitten des endlosen Stadtteppichs zwischen Tokyo und Yokohama. Dicht an dicht aber doch mit minimalem Abstand steht hier Haus neben Haus. „Um die Ecke“, in zweiter Reihe hinter dem Bahnhof steht mein Haus des Monats, die Okurayama Apartments von Kazuyo Sejima aus dem Jahr 2008.

Das Gebäude besteht aus 9 Wohneinheiten zu je 50 m2. Der rechteckige Bau besetzt die Parzelle fast vollständig. Von allen vier Seiten zieht sich der geschwungene Außenraum bis ins Innere des Baukörpers – kontinuierlich vom öffentlichen Raum zum privaten Innenhof. Die Oberfläche wird maximiert und somit auch die Vielfalt der Raum- und Blickbeziehungen aus den Wohneinheiten. Gärten werden gleichwertig auf allen Ebenen verteilt. Der bandartige Innenraum ist selten breiter als 2,50m. Wirkt aber durch seine Kontinuität über jeweils drei Geschosse und durch die Einbeziehung des Außenraumes unendlich.

Eigentlich gibt es viele mögliche Antworten auf (Zukunfts-) fragen, die wir uns momentan hier in Europa stellen: 

Wie schaffen wir Dichte, Urbanität und stillen gleichzeitig unser Verlangen nach privatem Freiraum und dem Garten?

Wie schaffen wir nachhaltige, flexible, nutzungsoffene Grundrisse?

Wie schaffen wir kollektive Wohnmodelle für eine gute Nachbarschaft mit viel Gemeinschaft und gleichzeitig ausreichender Privatheit?

Wie überwinden wir das Paradigma der europäischen Kernstadt vs. Peripherie?

Na gut:

Es ist nicht barrierefrei – dafür gibt es eine Nachbarschaft, die sich für den Mitbewohner mitverantwortlich zeigt. Zudem werden einige der vermeintlichen baulichen Defizite diesbezüglich auf anderer Ebene kompensiert, z.B. durch Technik und einem Pflegesystem, dass über die rein medizinische Versorgung hinausgeht.

Es lässt sich nicht mit unserem schweren, vererbten Mobiliar einrichten – dafür liegt der Flächenverbrauch pro Kopf bei fast der Hälfte Münchens.

Es weist keinen kompakten und damit energieeffizienten Baukörper auf – dafür sind die Einheiten flexibel nutzbar. In einer ehemaligen Wohneinheit befindet sich heute ein Café.

Natürlich lassen sich aufgrund der kulturellen Prägung der Menschen in Japan und hier nicht alle Eigenschaften dieses Hauses auf Bauaufgaben im europäischen Raum übertragen. 

Und trotzdem:

Das Haus motiviert mich und es erinnert mich daran, warum ich Architektin werden wollte.

Über die Person:
Lisa setzt sich nicht nur theoretisch mit den Fragestellungen Ihres Hauses des Monats auseinander, sondern bietet auch hierfür gebaute Lösungen an.
Besonders beeindruckend ist ihr Projekt „Schwabinger Carré“ im Geviert Schleissheimer-, Winzerer-, Herzogstrasse, dass auf meiner persönlichen „Top 5 München, 2010 – 2020“ sehr weit oben ist. Für diejenigen unter Euch / Ihnen, die das Projekt nicht kennen, lohnt sich auf jeden Fall ein kleiner Radlausflug dorthin. 
Lisa, vielen Dank für Deinen Beitrag!
Siniša „Drago“ Inić
Foto: Lisa Yamaguchi